Evolution und spezielle Entwicklungsgeschichte des Norikerpferdes
Über die Entwicklungsgeschichte und Evolution des Pferds im Allgemeinen existiert eine Vielzahl an weiterführender Literatur. Auf der Norikersport Homepage sollen daher nur die Grundzüge der Evolution dargestellt werden. Insbesondere wird auf die Frühzeit des alpenländischen Pferdes genauer eingegangen und es werden die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung präsentiert.
Die Entwicklungsgeschichte des Pferdes
Wie allgemein bekannt, stammt das Pferd bzw. dessen Urahnen aus Amerika. Die Wanderung des ersten Pferdes von Amerika nach Europa begann vor 50 Millionen Jahren mit dem 25-45 cm großen Eohippus, auch als „Pferdchen der Morgenröte“ bekannt. Damals waren die einzelnen Kontinente noch miteinander verbunden und hatten daher eine Landbrücke nach Nordamerika, die „Behringstaße“. Eohippus Überreste (es gab verschiedenen Formen) sind sowohl in Amerika, Asien und Europa gefunden worden. Im Eozän – Oligozän verschwinden in Europa große Teile der bestehenden Fauna in Folge geologischer und klimatischer Umwälzungen – darunter alle pferdeartigen. In Nord- und Südamerika nimmt die Evolution des Pferdes ihren Fortgang. Bis im Pliozän (5 Mio. Jahren) hat sich der vier- bzw. dreizehige Eohippus zum echten Einhufer, genannt Pliohippus, entwickelt. Die Eiszeiten der folgenden Epoche, dem Pleistozän, führten zu starken Migrationsbewegungen der Fauna in Amerika. Von dort ausgehend wird über die Landbrücke nach Asien (Behringstraße) schließlich auch Europa mit „modernen“ Formen von equidenartigen wiederbesiedelt. Die Ausdehnung der Wälder in Europa drängt die Wildpferde in die östlichen Steppen. Im Laufe der Jahrmillionen verbreiteten sich diese „Pferdchen“, damals noch vegetarische Allesfresser, über die Kontinente Asiens, Afrikas, und Europas. Die Wanderung fand erst vor 3 Millionen Jahren ihr vorläufiges Ende. Im gleichen Zeitraum trennten sich die einzelnen Kontinente aufgrund der Plattentektonik voneinander. Ein wesentlicher Punkt für die Entwicklung der Gattung „Equus“ waren die Eiszeiten mit ihren Folgewirkungen. In Afrika, der Urheimat des Menschen, herrschte ein gemäßigtes Klima. Die Umweltbedingungen änderten sich hier unwesentlich, so dass eine langzeitige, konstante Anpassung dieser Equiden an die Umwelt erfolgen konnte. Die resultierende Erscheinungsform der afrikanischen Gattung Pferd sind die gestreiften Zebras, ca. 120-130 cm hoch mit Schweifpuaste und Stehmähne (typisch für alle Wildformen der Gattung Equus). Die Temperaturen und die Vegetation Nordafrikas und Eurasiens waren wesentlich stärker durch die Eiszeiten beeinflusst. Es bildeten sich in diesen Gebieten die Gruppe der Eseln: in Nordafrika die nubischen Wildesel, auch als echte Esel bezeichnet (Equus asinus) und i9n Asien die Halbesel (Equus hemionus). Die progressivste Anpassung des Pferdes (Equus caballus) an das Klima erfolgte in Europa und Mittelasien, der Heimat des Urpferdes.
Die Entwicklung vom „Eohippus“, einem 35-45 cm großen Dreizeher bis zum 130 cm großen steinzeitlichen Wilfpderd illustriert den biologischen Anpassungsmechanismus der Evolution. Die kleinen Pferdchen „Eohippus“, „Meryhippus“, „Mesohippus“ und „Pliohippus“ zeichnen in ihrer äußeren Gestalt den Weg aus dem bewaldeten Gebieten in die offenen Steppen und Ebenen. Waren für die Frühformen Eigenschaften wie Tarnzeichnung, Einzelgängertum und geringe Körpergröße, ein Resultat des Nahrungsangebotes im Busch, überlebenswichtig, so wurden mit dem Weg in die offenen Graslandschaften soziale Herdenbildung , Laufeigenschaften, ausreichende Widerristhöhe und ein auf rohfaserreiche Nahrung angepasstes Gebiss und ein Verdauungstrakt für den Fortbestand dieser Art verantwortlich.
Die endgültige Spezilisierung des Pferdes fällt ins Zeitalter der vier Eiszeiten, dem Pleistozän, 3 Mio. – 10.000 Jahre c. C. Aufgrund der rasanten Klimastürze in Mitteleuropa erfolgten ausgedehnte Wanderbewegungen der Wildtierpopulationen. In diesem Zeitraum erfolgte wahrscheinlich die Bildung der ersten unterschiedlichen Typen (eigentlich „Ökotypen“) in der Spezies Pferd. Der wichtigste Faktor, welcher den Organismus und dessen Ausprägung beeinflusst ist, die Temperatur. Mit folgenden zwei für alle Säugetiere gültigen Regeln können die anatomischen Unterschiede der einzelnen Pferdeschläge gedeutet werden:
Bergmann Regel: Säugetiere in nördlichen, kalten Gebieten tendieren zu großen und schweren Wuchsformen, während durch höhere Temperaturen in südlichen Gebieten kleinere und grazile Körperformen vorherrschen.
Allen´s Regel: In kalten Gebieten tendieren die Säuger zu kurzen Ohren, kleinen Nüstern, kürzeren Extremitäten mit dicker Haut und festem Haarkleid, während bei hohen Umgebungstemperaturen das Gegenteil der Fall ist.
Mit diesen zwei Regeln kann man sich selbst ein Bild von den einzelnen Wildpferde Populationen im Pleistozän machen.
Die Bekanntesten Fundstellen von Wildpferden befinden sich in Südfrankreich und Spanien. Eine der Wiegen späterer Pferdekultur. Im Osten mit den weiten Grassteppen ist die Dichte der Grabungen nicht so groß, aber gerade hier war es möglich eine lebende Wildpferdeform zu erhalten: da Przewalski Pferd. Bis vor Kurzem war man noch der Meinung, dass das Przewalski Pferd (Equus ferus przewalskii) ein direkter Urahne der modernen Pferde (Equus caballus caballus) sei. Tatsächlich aber unterscheidet sich die Chromosomenzahl (Trägersegmente der Erbinformation) der Przewalskis mit 66 von der moderner Pferde mit 64. Somit entwickelte sich das mongolische Wildpferd parallel zum modernen Pferd und kann nicht als Ahne, sondern als eine Art Geschwister gesehen werden.
Die Evolution und Domestikation des Pferdes wurde größtenteils anhand von Knochenfunden mit Hilfe der zoologischen Systematik hergeleitet. Die moderne Molekulargenetik bietet mittlerweile effiziente Methoden an, um den zeitlichen Ablauf der Entwicklungsgeschichte zu studieren. Gerade um den Prozess der Domestikation des Pferdes existierten widersprüchliche Lehrmeinungen. Die europäisch-kontinentale Doktrine postulierte einige wenige Domestikatonsprozesse, die auf ein paar Pferdeherden basierten. Aus diesen vereinzelten Pferden wurde dann durch Selektion und Züchtung das „domestizierte“ Pferd geschaffen, welches später durch den Menschen in alle Erdteile verbreitet wurde. Diese kontroversiell diskutierte Theorie wurde durch einen zweiten Erklärungsansatz abgelöst: die Domestikation des Pferdes fand an vielen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten statt. Gegnen Ende der letzten Eiszeit 11.400 a.C wurden die Pferdepopulationen in einzelne Inseln gespalten, was gleichzeitig die genetische Innerhalb-Herde Variabilität in den einzelnen Inselpopulationen reduzierte. Dies dürfte auch der Grund sein, dass die genetische Variabilität zwischen den Gründer Herden viel größer ist als man es bei Rind oder Ziege beobachten konnte.
Phylogenetische oder stammesgeschichtliche Forschung basiert mittlerweile auf genetischen Informationen von der so genannten mtDNA (mitochondrialer DNA). Diese DNA wird ausschließlich von der Mutter auf die Tochter übertragen. Daher unterliegt sie keiner Veränderung durch Neukombinationen, die sonst bei jeder Befruchtung stattfindet. Nur Mutation kann diese mtDNA verändern. Da Mutationsereignisse im Mittel einem zeitlichem Muster unterliegen, können Unterschiede auf deisem DNA-Abschnitt zeitlich erfasst und so der Zeitpunkt der Trennung von Arten relativ genau bestimmt werden. Im Fall der Gattung Equus zeigte sich in einer Studie von Jasen et al. (Jahr 2002) folgende Entwicklungsreihenfolge:
Von der Urpferdeherde (dem Pliohippus ca. 3 Mio. Jahre a.C) spaltete sich zuerst das
- “Moutain zebra„ ab, gefolgt von den
- „echten“ Eseln, daraufhin spalteten sich die
- Grant- und Grevy Zebras ab, weiter die
- „Halbeslen“ und letztendlich die Gruppe der
- „echten Pferde“, welche sich wiederum in Przewalski Pferde und moderne Pferde unterteilte.
Diese letzte Trennung zwischen Equus caballus und Equus ferus przewalski erfolgte vor 100.000 bis 29.000 Jahren a.C..
Die „echten“ Esel entstanden vor ca. 2.000.000 Jahren a. C.. Die Ursprünge oder Mutterlinien der modernen Pferde (dazu gehört auch das Przewalski Pferd) entstanden vor 320.000 bis 630.000 Jahren a.C.. Zieht man diese neuesten Erkenntnisse in der Domestikationsforschung in Betracht, so konnte der Mensch um den Domestikatonszeitpunkt des Pferdes (ca. 9.400 bis 2.000 a.C.) über eine Vielzahl an verschiedenen Pferdestämmen verfügen.
Jansen et al. (2002) führte die bisher größte Abstammungsstudie beim Pferd durch. Er verwendete mtDNA von 625 Pferden aus 25 europäischen und asiatischen Rassen, einschließlich amerikanischer Mustangs. Diese 625 Pferde unterschiedlichster Herkunft, gehen genetisch auf 93 Stutlinien zurück, welche sich in 17 unterschiedliche urmütterliche Gruppen oder mtDNA Typen gliedern, zurück. Da die Bedeutung des Norikers in der Stammesgeschichte des Pferdes nicht unbedeutend ist, wurde auch die Mutterlinie von 4 Salzburger Norikerstuten molekulargenetisch zurückverfolgt und in den Kontext von 25 verschiedensten europäischen Rassen eingereiht. Die deutlichste Übereinstimmung von molekularen Stutlinien mit Rassen und geografischer Herkunft konnte im mtDNA Typ Pony gefunden werden. Die Pferde dieser Gruppe konzentrieren sich geografisch auf die Britischen Inseln, Skandinavien, Mitteleuropa und Island. 31 von 46 Pferden aus dieser Gruppe stammen aus nordeuropäischen Pony Zuchten (Exmoor, Fjord, Island, Schottisch Highland und Connemara Ponies). Diese relativ junge Gruppe der Ponies ist jünger als 8.000 Jahre aber sicher älter als 1.500 Jahre, da die gleichen mtDNA Muster bei 2 altertümlichen Wikingerpferden gefunden wurden.
Die zweite geografisch und genaealogisch klar definierte Gruppe ist die der iberisch-afrikanischen Pferderassen (mtDNA Typ Iberer) In ihr kommen Andalusier, Lusitanos, Berver, zu 31% amerikanische Mustangs aber nur 5%Araber vor. Diese Gruppe ist entstehungsgeschichtlich etwas älter (zwischen 6.000 und 21.000 Jahren) als die Gruppe der nordischen Ponies. Die Iberische Halbinsel war von Anfang an immer ein begünstigter Lebensraum für Equiden und später ein wichtiges Domestikationszentrum des Pferdes. Interssanterweise existieren in der Iberischen Gruppe noch zwei Untergruppen eine sehr alte Gruppe 20.000 bis 70.000 Jahre, welche hauptsächlich aus Dülmener Ponies besteht und eine mtDNA Gruppierung, welche die Stutlinie zweier Noriker Stuten birgt, die auf ein molekulares Alter von 6.000 bis 22.000 kommt. Ab der Neuzeit waren nahezu alle europäischen Pferderassen von den Iberischen Pferden beeinflusst. Da auch die Mutterlinie von Salzburger Norikerstuten auf eine Iberische Gruppierung zurückgeht, unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung der spanisch-italienischen Pferdeimporte durch die Salzburger Erzbischöfe im 17. Jahrhundert. Abschließend konnte mit dieser Studie eine bislang nicht bewiesene Theorie bestätigt werden: Die Domestikation des Pferdes erfolgte in zahlreichen Gebieten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
Diese neuesten molekulargenetischen Untersuchungen weisen auf verschiedenste Domestikationsorte hin. Diese Studien zeigen, dass der genetische Polymorphiegrad (Verschiedenheitsgrand) von Pferden aus prähistorischen Funden (echte Wildpferde) sich nicht vom Polymorphiegrad heitiger Rassepferde unterscheidet. Bei nur einer Domestikationslinie würde man die heutigen Hauspferde weniger polymorph erwarten. Weiter ergaben Resultate aus der nur mütterlich vererbten mitochondrialen DANN, dass im aufe der Geschichte an geographisch verschiedenen Orten ein Minimum an 77 voneinander unabhängigen Stuten hatte domestiziert werden müssen. Nur so ist die vorgefunden Variabilität in der mtDNA unserer heutigen Pferde erklärbar(Jansen et al.,2002)
Nicht das domestizierte Pferd wurde durch den Menschen verbreitet, sondern nur das Wissen um dessen Zähmung und Behandlung. Die Interessen des praktischen Pferdezüchters liegen eher bei Exterieurkunde und Typologie als bei molekulargenetischen Untersuchungen. Die Kombination beider Gesichtspunkte erlaubt jedoch ein besseres Verständnis über die Anlagen unserer heutigen modernen Pferde. Schon in den 1950er Jahren wurde von einer Gruppe von Wissenschaftlern, den sogenannten „Polyphyletikern“ unter Leitung von Pfrof. Skrorwski der Standpunkt vertreten, dass die Hauspferderassen auf mehrere Urpferdeformen zurückgehen und nicht aus einer einzigen domestizierten Pferdeform gezüchtet wurden. Diese Gruppe postulierte, dass die einzelnen Rassen Mischformen aus 4 bzw. 6 unterschiedlichen Urtypen entsprechen.
Dieser simplifizierende aber durchaus schlüssige Ansatz stützte sich zunächst auf vergleichende Morphologie und Anatomie (Zähne und Schädel) und wurde auf den ethologischen (verhaltenskundlichen) und hppologischen (pferdekundlichen) Bereich erweitert.
Jende frühe Erklärungsanstz stimmt in groben Zügen mit den mtDNA Typen aus der Studie von Jansen überein. Reiht man diese Urtypen nach ihrem molekularen Alter (Jansen et al. 2002) ergibt sich folgender zeitlicher Ablauf:
Die älteste entwickelte Urform war der heutzutage als „orientalische Vollblut“ bezeichnete Typ IV. Derartige Pferdetypen kamen vor allem in den östlichen Steppengebieten vor. Die Mutterlinien dieses Typ IV sind zwischen 47.000 und 166.000 Jahren alt. Pferde dieses Typs wurden in allen Reitpferdrassen als Veredler eingesetzt; es gilt heute noch der Leitspruch: Ohne Vollblut kein Reitpferd.
Die zweitälteste Urform ist der Typ II, der so genannte Przewalski Typ. Sein Alter liegt zwischen 29.000 und 100.000 Jahren. Von den Polyphyletikern wird dieser in rauen Klimata beheimatete Pferdetyp auch als Kaltbluttyp angesehen. Das so genannte „Elchmaul“ oder die „Schneepflugnase“ (gebrochene Ramsnase), weiterverbreitet in heutigen Kaltblutpopulationen waren durch die Futteraufnahme in Permafrostzonen oder Schneegebieten bedingt, und stellen so eine Spezialisierung an kalte Klimazonen dar. Der Typ III mit einem molekularen Alter von 6.000 bis 21.000 Jahren entspricht dem warmblütigen, ramsköpfigen iberischen Pferdetyp. Aufgrund der Gangmechanik wird dieses Modell ein an rauffaserreicher Nahung angepasster Pferdetyp, als klassisches Warmblut oder Reitpferd angesehen. Die Beschreibungen des Typs III lassen Ähnlichkeiten mit dem alten hannoveranischen Stutenstämmen erkennen.
Die jüngste Urpferdeform ist der Pony Typ (Typ I). Mit einem Alter von 2.000 – 8.000 Jahren fällt dieses Pferd genau in den Domestikationszeitraum. Ponies sind an milde Klimata angepasste Pferde der Britischen und Skandinavischen Inseln und Halbinseln.
Die Mischformen beim Noriker zeigen folgende Zusammenhänge. Der Hengst Gabor Diamant steht nahezu vollständig im Przewalskityp, der aus der Elmar Linie stammende Tiger Hengst Freund Elmar zeigt Kennzeichen des ramsköpfigen Warmbluttyps, weist aber in der Vorhand und Halspartie deutliche Pony Merkmale auf. Der Staatspflege Hengst Stoffen Nero, einer der wichtigsten Hengste in der Zuchtgeschichte des Norikers verkörpert ein noch heute gültiges Ideal für die Noriker Zucht. Dieser tiefe, mit herbem Adel ausgestattete Hengst, ein Repräsentant für den durchschnittlichen Norikertyp schlechthin. Birgt gleichermaßen Merkmale des Typ I und Typ II.